Flüssiges Gold vom Bielersee

Süss­wei­ne aus dem See­land sind eine abso­lu­te Rari­tät. Die pro­du­zier­ten Men­gen sind gering, die Her­stel­lung ist oft sehr auf­wen­dig. Doch bei kaum einer ande­ren Art Wein kön­nen die Win­zer der­art krea­tiv sein.

Das See­land ist eben nicht das Bur­gen­land. Das zeigt sich nicht zuletzt dar­an, dass im ost­ös­ter­rei­chi­schen Wein­an­bau­ge­biet in die­sem Monat eine erfolg­rei­che Eis­wein-Ern­te ver­mel­det wur­de. Eis­wein ist und bleibt selbst unter den Süss­wei­nen ein Exot: Damit die Trau­ben für Eis­wein ver­wen­det wer­den kön­nen, braucht es minus sie­ben Grad oder weni­ger, denn erst dann sind die Trau­ben kom­plett gefro­ren. Für einen per­fek­ten Eis­wein­jahr­gang ist einer­seits wich­tig, dass die Trau­ben gesund und ohne Botry­tis, also Edel­fäu­le, den Herbst über­dau­ern. Ande­rer­seits darf die Eises­käl­te nicht zu lan­ge auf sich war­ten las­sen, denn es kann pas­sie­ren, dass die guten Trau­ben verderben.

An einen wasch­ech­ten See­län­der Eis­wein ist beim Jahr­gang 2015 somit nicht zu rech­nen – zu lan­ge blieb es zu warm im See­land. Bei minus sie­ben bis acht Grad frie­ren die Was­ser­an­tei­le in den Trau­ben, nur der süs­ses­te und bes­te Extrakt bleibt flüs­sig. Genau des­halb müs­sen die Trau­ben auch so schnell wie mög­lich im gefro­re­nen Zustand gepresst wer­den. Ein unglaub­li­cher Auf­wand für gerings­te Men­gen. «In die­sem Jahr haben wir es gar nicht erst ver­sucht», sagt der Liger­zer Win­zer Gabri­el Andrey. Eis­wein aus dem Hau­se Andrey gibt es nicht häu­fig. Erst vier Mal – 1998, 2001, 2007 und 2009, als die natür­li­chen Bedin­gun­gen es zulies­sen – konn­te die Rari­tät aus Chas­se­las-Trau­ben gekel­tert werden.

Fan­ta­sie und Kreativität

Was für Eis­wein gilt, hat im See­land auch für jeg­li­che Art von Süss­wein (sie­he Info­box) Gül­tig­keit: Es han­delt sich um ein abso­lu­tes Nischen­pro­dukt. Auf­grund gerin­ger Par­zel­len­grös­sen sind die Men­gen sehr klein, mehr als 200 Liter pro Jahr­gang stellt kaum ein Win­zer her. Für Gabri­el Andrey ist Süss­wein denn auch mehr ein Hob­by, eine gepfleg­te Lieb­ha­be­rei und weni­ger ein umsatz­re­le­van­ter Bei­trag. «Bei sol­chen Wei­nen kann man als Win­zer rich­tig krea­tiv sein und sei­ner Fan­ta­sie frei­en Lauf las­sen.» Etwa beim «Sola­ris», den Andrey aus der gleich­na­mi­gen Trau­be kel­tert. Der Name «Sola­ris» lei­tet sich von der Son­ne ab, die der Sor­te auf­grund ihrer Kraft zu einer frü­hen Rei­fe und zu einer hohen Zucker­leis­tung ver­hilft. Eine Woche lang wer­den die Bee­ren luft­ge­trock­net und erst dann abge­presst, was einen hohen Zucker­ge­halt und eine viel­fäl­ti­ge Aro­ma­tik ergibt. Der «Sola­ris 2014» ist im Gau­men sehr kräf­tig, aber den­noch mit kna­cki­ger Säu­re und einer über­haupt nicht kleb­ri­gen Süs­se, die an kan­dier­te Früch­te erin­nert; selbst leich­te Rum­no­ten sind erkenn­bar. Leicht gekühlt domi­niert eher die Säu­re, wäh­rend bei einer Trink­tem­pe­ra­tur von 15 Grad die Süs­se im Vor­der­grund steht.

Künst­li­cher Frost

Voll­stän­dig muss der Bie­ler­see­wein-Lieb­ha­ber aber doch nicht auf Eis­wein ver­zich­ten. So stellt Theo Soland auf sei­nem «Kapf­gut» in Twann seit meh­re­ren Jah­ren den «Adi­na-Wy», einen «unech­ten» Eis­wein her. Unecht des­halb, weil die Trau­ben nicht draus­sen auf natür­li­che Wei­se gefrie­ren: Die Ries­ling x Syl­va­ner-Trau­ben wer­den durch Cryo­ex­trak­ti­on gekel­tert. Bei die­sem Ver­fah­ren wird der benö­tig­te Frost künst­lich in einer Kühl­kam­mer erzeugt – für Soland erle­digt dies ein Gemü­se­ver­ar­bei­tungs­be­trieb in Ker­zers. Der «Adi­na-Wy» ist mit einem öster­rei­chi­schen Eis­wein kaum zu ver­glei­chen. Ist er in der Nase noch zurück­hal­tend, ent­fal­tet sich am Gau­men eine inten­si­ve Frucht, eine Explo­si­on von kan­dier­ter Ana­nas, mit dezen­ter aber immer prä­sen­ter Säu­re – von sirup­ar­ti­ger Vis­ko­si­tät kei­ne Spur. Ein klas­si­scher Des­sert­wein, der aber auch mit Chut­ney oder gebra­te­ner Foie gras bes­tens harmoniert.

Wer Süss­wein lie­ber als Beglei­tung zum Käse­gang geniesst, dem sei etwa der «Douceur d’Alfermée» vom Wein­gut Stäpf­li emp­foh­len. Obwohl aus Pinot Noir-Trau­ben her­ge­stellt, erin­nert der Wein eher an einen gut gereif­ten Taw­ny-Port. Zu Blau­schim­mel­kä­se wie etwa Stil­ton gibt es kei­ne bes­se­re Ergän­zung. Auch einen Bie­ler­see-Port­wein gibt es, aller­dings einen «unech­ten»: Sei­nen «Vin­teutsch» erzeugt Fabi­an Teutsch vom Wein­gut Schlöss­li in Scha­fis nach der tra­di­tio­nel­len Port­wein-Metho­de. Die Trau­ben wer­den hand­ver­le­sen und dann zunächst wie bei jedem ande­ren Wein gepresst. Der Most wird dann zur Gärung ange­setzt und erhält jetzt die eigent­li­che Port­wein-Behand­lung. Die­ser spe­zi­el­le Vor­gang wird Vinie­rung genannt und bedeu­tet, dass der Wein mit hoch­wer­ti­gem Wein­de­stil­lat auf­ge­spritzt wird. Die Gärung wird dadurch gestoppt und bestimmt somit auch die Süße des Weins, da die­ser Stopp auch gleich­zei­tig die Rest­süs­se des Weins bestimmt.

«Unech­ter» Portwein

Häu­fi­ger sind am Bie­ler­see jedoch Süss­wei­ne, die durch Trock­nung des Trau­ben­guts gewon­nen wer­den. Beim Reb- und Wein­gut Bethes­da aus Tschugg wird ein «Stroh­wein» aus Mus­cat-Trau­ben gekel­tert. Nach der Ern­te wer­den die Trau­ben auf Stroh aus­ge­legt. Mit über 150 Grad Oechs­le wer­den die luft­ge­trock­ne­ten Trau­ben abge­presst. Etwas anders funk­tio­niert die Trock­nung beim Reb­gut Hasen­lauf in Erlach: Dabei wer­den die Trau­ben im Taba­kofen getrock­net, wodurch der Saft an Süs­se gewinnt. Für den Süss­wein wer­den zu einem Drit­tel Pinot Noir-Trau­ben und zu zwei Drit­teln Chas­se­las-Trau­ben ver­wen­det und danach bis zu 18 Mona­te im Bar­ri­que gelagert.

Auch wenn Bie­ler­see-Des­sert­wei­ne eine Rari­tät sind, wer­den sie regel­mäs­sig aus­ge­zeich­net. Zuletzt gewann der 2014er Sola­ris vom Vin­g­el­zer Wein­gut «Räblus» gros­ses Gold beim inter­na­tio­na­len PIWI Wein­preis 2015.

 

 

Süsswein

Süss­wein ist schon seit der Anti­ke bekannt. Er ent­steht durch die Kon­zenz­ta­ti­on des natür­li­chen Zuckers in den Trauben.

Dies kann auf drei ver­schie­de­ne Arten erreicht wer­den: 1. Durch Edel­fäu­le, die am Wein­stock ein­tritt wäh­rend die Trau­ben unter güns­ti­gen Ver­hält­nis­sen voll aus­rei­fen; 2. durch Ver­ar­bei­ten von gefro­re­nem Trau­ben­gut (Eis­wein); 3. durch Trock­nen rei­fer Trau­ben, ent­we­der am Wein­stock oder nach der Lese.

Einen Spe­zi­al­fall bil­den Likör­wei­ne wie Port­wein, Madei­ra, Sher­ry oder Mar­sa­la: Die Gärung des sehr zucker­rei­chen Mos­tes wird künst­lich gestoppt, indem 96-pro­zen­ti­ger Alko­hol oder ein­ge­dick­ter, auf­ge­sprite­ter Most zuge­setzt wird. Dadurch wer­den die Hefen abge­tö­tet und es kann kei­ne wei­te­re Umwand­lung von Zucker in Alko­hol statt­fin­den. nbo

(Bie­ler Tag­blatt, 28.01.2016)