Kriselt es beim nationalen Selbstbewusstsein? Schwächelt der patriotische Energiehaushalt? Kein Problem! Die sehnlichst benötigte Dosis an Heroismus kommt idealerweise immer noch in Gestalt eines Kriegsfilms daher.
Das Rezept ist doch recht simpel: man nehme ein historisches Trauma, lasse ein paar heldenmutige Jünglinge es durchleben und beschwöre dabei durchwegs ihren Einsatz für die gute Sache, für das Vaterland! Falls es einem dabei an Kreativität mangelt, zögere man nicht, sich schamlos bei allerlei bekannten Vorbildern zu bedienen.
Dass diese Einsicht auch das Russische Kino erreicht hat, beweist zweifellos Fjodor Bondartschuks „Die neunte Kompanie“. Da seine angloamerikanischen Regiekollegen sich bisher recht produktiv am US-Trauma schlechthin, also Vietnam, abgearbeitet haben, muss es ihm nicht schwer gefallen sein, das cineastische Kopiergerät anzuwerfen, und fröhlich draufloszudrehen. Da es bisher noch niemand gewagt hatte, die Heldentaten der Roten Armee in Afghanistan zu verherrlichen, fiel die Wahl auf den Schauplatz wohl sehr leicht. Und dass 1988 die Amis ihren Vorzeige-GI John Rambo den bösen Russen in ebendiesem Afghanistan Saures geben durfte, hat bei Bondartschuk wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Die Geschichte der „neunten Kompanie“ ist denn auch schnell erzählt, denn mit der Umschreibung „Full Metal Jacket in the U.S.S.R.“ ist das Meiste gesagt. Eine Schar junger Bauernlümmel aus allen Ecken des Sowjetreiches hat sich –selbstverständlich freiwillig- gemeldet, um den Kommunismus am Hindukusch zu verteidigen. Was folgt, ist die obligate Drill-und Bootcamp-Romantik, also Schädel rasieren, gebellte Kommandos von einem richtig fiesen, harten Hund, selbstredend ein Kriegsveteran mit demonstrativ an der Schläfe prangender Narbe, dann Erniedrigung, Steine schleppen und im Laufschritt Marsch, denn jetzt werden aus Maden Männer gemacht!
In der zweiten Filmhälfte läuft dann der Platoon-Verschnitt an: In bedächtiger Langsamkeit öffnet sich die Heckklappe des Truppentransporters und der Frischlings-Trupp betritt afghanischen Boden. Auf dem Flugfeld kreuzt man die heldenhaften Heimkehrer, wechselt noch ein paar ermutigende Worte. Einige Sekunden später dann bereits der erste Raketenbeschuss durch den unsichtbaren Feind, der Bodycount schnellt in die Höhe. Was folgt ist eine Aneinanderreihung von Kampfeinsätzen, gewürzt mit Durchhalteparolen und der Frage, was denn dieser Gorbatschow um Himmels Willen mit diesem Glasnost-und-Perestroika-Unfug im Schilde führt. Und immer wieder „In was für eine Scheiße sind wir hier geraten, die werden uns alle abschlachten und zwar bis zum letzten Mann“.
Ein paar stehen am Ende noch. Dass die Sowjets Afghanistan am Ende des Kriegs als Verlierer verlassen, ist im Übrigen nicht weiter wichtig, denn der arg malträtierte Unteroffizier interpretiert abschliessend richtig: „Heute waren wir die Sieger“. Und das ist wohl alles, was zählt.
(Unveröffentlicht, Übungstext für Kulturjournalismus-Kurs am MAZ)