Restaurantkritik: Zu grosse Erwartungen

Es hätte so einfach sein können. Ein durchgestyltes Lokal an bester Lage, höchste Ambitionen und eine unschlagbare Aussicht auf die Stadt. Kurzum – mit dem «L’Entrecôte» hätte Biel endlich ein «Restaurant de viande» erhalten können, das dieser Bezeichnung auch würdig ist. Nur ist das scheinbar nicht so einfach.

Als höchst anspruchsvoll sieht sich das neue Restaurant des «Elite» und verkündet stolz «das Gute in seiner reinsten Form zu zelebrieren». Nun gut, wer höchste Erwartungen weckt, der muss sich auch daran messen lassen.

Aus der angenehm überschaubaren Karte wählen wir zum Auftakt die Crema catalana von der Tomate mit Parma-Crostini (14.50 Fr.) sowie den Büffelmozzarella auf Tomatencarpaccio mit Basilikum-Eis (14.50 Fr.). In einem Wahnsinnstempo werden die Vorspeisen sogleich aufgetragen und kommen als minimalistische Arrangements auf mattschwarzen Platten äusserst ästhetisch angerichtet daher. Die gestockte Tomatencreme hätte dabei etwas sorgsamer komponiert sein können, die natürliche Süsse der Tomaten wird durch die Caramelkruste eine Nuance zu sehr hervorgehoben, sodass die Salzigkeit des Rohschinken-Chips kaum zur Geltung kommt. Ansonsten aber ein stimmiges Gericht. Das Duo Tomate-Mozzarella überzeugt in Kombination mit dem geeisten Basilikum durch angenehme Frische und wunderbar minzartige Grasigkeit. Der Pouilly-Fumé de Ladoucette (8.50 Fr. das Glas) passt hervorragend dazu.

Das «L’Entrecôte» verspricht «Rindfleisch, das geschmacklich so ursprünglich und vollkommen ist, dass Sie es noch lange in Erinnerung haben werden.» Am namensgebenden Entrecôte (300g/Fr. 54.50) gibt es denn auch kein Vorbeikommen, einzig ein Simmentaler Rindsfilet (200g/Fr. 59.50) böte eine fleischliche Alternative. In Erinnerung bleibt der erste Bissen in das gute Stück allerdings nur, weil die gewünschte Garstufe kaum deutlicher hätte verfehlt werden können. Statt «saignant» präsentiert sich die Textur des Fleisches in erblassendem Rosa mit deutlichem Stich ins Graubraun, nahe an «bien cuit», also.

Das Steak lassen wir unverzüglich zurückgehen, was auch ohne Wenn und Aber akzeptiert wird. Als das Entrecôte der Begleitung auch im zweiten Anlauf nicht blutig daherkommt, lassen wir es jedoch gut sein. Irgendwann will man ja noch essen. Und der Geschmack? Hochwertiges und vor allem gut gelagertes Rindfleisch besitzt einen prägnanten Eigengeschmack – salzig, nussig, umamiartig, ein Hauch Süsse und leichte Säure mit mürbem Reifearoma. Das fehlt diesem irischen Black Angus leider gänzlich. Lediglich leichte Röstnoten stehen im Vordergrund; Wiedererkennungswert leider gleich null. In einer x‑beliebigen Gaststätte wäre das in Ordnung. Nicht aber, wenn man höchsten Ansprüchen genügen will. Deshalb in aller Deutlichkeit: Wer im Jahr 2016 – wenn in jeder grösseren Detailhandelsfiliale Reifeschränke mit Dry Aged Beef zu finden sind – mit seinem Fleisch hervorstechen will, muss definitiv mehr bieten.

Das dazu gereichte Mischgemüse ist knackig auf den Punkt gegart, leider komplett ohne Salz. Das befindet sich wohl gänzlich auf den Pommes alumettes und in der überwürzten Morchelsauce. Immerhin ist auf den dazu georderten Les Hauts de Smith (8.50 Fr. das Glas) Verlass. Für den Hauptgang entschädigt das Dessert etwas. Die Trilogie von Caraibe-Schokoladenmousse, Himbeersorbet und einem Rucola-Shot (14.50 Fr.) harmoniert bestens. Die erdig-mächtige Kraft der Mousse findet in der fruchtigen Süsse des Sorbets – leider etwas zu warm serviert – und der bittersüssen, leicht pfeffrigen mineralischen Frische des Rucolas eine erstaunlich abgerundete Ergänzung.

Wenn da nur nicht die Sache mit dem Fleisch wäre. Bis zur geschmacklichen Vollkommenheit ist es im «L’Entrecôte» diesbezüglich noch ein weiter Weg. Lange in Erinnerung bleibt bis dahin nur der grandiose Ausblick über die Stadt Biel.

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Restaurant «L’Entrecôte»

 

  • Philosophie: Rindfleisch soll in seiner reinsten und vollkommensten Form zelebriert werden.
  • Einrichtung: Stylisch, modern, minimalistisch. Die Aussicht auf Biel ist unvergleichlich.
  • Mein Fazit: Anspruch und Wirklichkeit driften leider weit auseinander. Ein Besuch des Restaurants ist durchaus empfehlenswert – allerdings nicht des Fleisches wegen. nbo

Info: Restaurant «L’Entrecôte», Bahnhofstrasse 14, 2500 Biel. Tel. 032 328 77 28. Offen: Di-Sa, 11.3014 und 1823. 30 Uhr, www.entrecote-bienne.ch.

 

(Bieler Tagblatt, 25.06.2016)