Restaurantkritik: Im Tempel der Fleischeslust

Wer im Seeland ein erstklassiges Stück Fleisch geniessen möchte, der sei im Stadthaus-Grill in Nidau an der richtigen Adresse. Nach persönlicher Überprüfung dieser Ausssage kann ich guten Gewissens bestätigen: Das ist fast noch eine Untertreibung! Doch schön der Reihe nach.

Beim Betreten des Restaurants fällt das Augenmerk sofort auf die offene Küche, deren Prunkstück ein wohlig glühender Holzkohlegrill ist. Die Reminiszenzen an ein klassisches Steakhouse sind nicht zu übersehen: viel dunkles Holz, Lederbänke an den Wänden, gedämpftes, aber angenehm warmes Licht. Die äusserst zuvorkommende und aufmerksame Bedienung empfiehlt uns zum Apéro einen 2012er Johanniter Chardonnay (7 Franken das Glas) vom Twanner Winzer Martin Hubacher. Der Wein überzeugt durch ausgeprägte Zitrusnoten, am Gaumen zeigt er eine erfrischende Würzigkeit. Nach diesem gelungenen Auftakt wenden wir uns der Speisekarte zu. Fleisch ist hier Trumpf: Zur Auswahl stehen Entrecôtes in verschiedenen Gewichtsklassen (Ladies 36 Franken, Gentlemen 42 Franken. oder XXL 55 Franken), Filet (45 Franken) oder Ribeye-Steak vom Rind. Auch Pferd und Lamm sind im Angebot. Weil sich die Qualität eines Steakhouses aber am besten in der Königsklasse bestimmen lässt, ordern wir das beste Stück vom Rind, nämlich das am Knochen gereifte Kotelett aus der Hochrippe, das «Côte de bœuf». Mit einem Preis von 59 Franken pro Person zwar klar das teuerste Gericht auf der Karte, das hat aber auch seinen Grund. Das Fleisch stammt ausschliesslich von Schweizer Rindern und wurde im sogenannten «Dry Age»-Verfahren gereift. In einer Kühlkammer, deren Temperatur kurz über dem Gefrierpunkt liegt, werden die Rindfleischstücke mindestens acht Wochen lang trocken aufgehängt.

Als Amuse-Bouche werden selbstgebackene Tortillachips an einer erfrischenden, leicht pikanten Tomatensalsa gereicht. Bei der Vorspeise begeben wir uns auf eine «Tapas-Reise» (11 Franken), bestehend aus einem Dip aus Baumnüssen und getrockneten Tomaten, spanischem Käse, Grissini, Parmesanchips, Aioli und hauchdünnen Tranchen Pata-Negra-Schinkens, die nur wenige Minuten zuvor von der Keule gehobelt wurden. Ein Hochgenuss, der einen wahrhaftig für kurze Zeit in die Tapasbars von Barcelona reisen lässt.

Dann ist es endlich so weit: In einer Kupferpfanne und mit einem Rosmarinzweig garniert wird uns das gegrillte und unwiderstehlich duftende Côte de bœuf präsentiert, bevor es tranchiert auf unseren Tellern angerichtet wird. Als leidenschaftliche Fleischgeniesser haben wir es «saignant» bestellt, die Garstufe wurde perfekt getroffen. Die Pfeffersauce mundet zwar hervorragend, dennoch lasse ich sie links liegen. Zu sehr würde dadurch der unglaubliche Eigengeschmack des Fleisches (lediglich unterstützt durch etwas Fleur de Sel) überdeckt werden. Dieser Genuss sucht seinesgleichen, so unvergleichlich intensiv, mürbe, nussig und buttrig schmeckt es. Die grösste kulinarische Sünde begeht hier jedoch, wer die Fettstücke wegschneidet. Durch die Reifung zerfliessen sie fast im Mund. Die als Beilagen servierten Pommes allumetes und das Grillgemüse sind tadellos. Ein Glas 2010er Valpolicella Superiore Ripasso Monti Garbi aus dem Veneto (Fr. 7.50) harmoniert bestens mit dem Hauptgang. Nach roter Frucht und Kirsche duftend präsentiert er sich angenehm weich und mit würzigem Nachgeschmack.

Einziger Wermutstropfen des Abends: Die Steakmesser hätten einen schärferen Schliff vertragen können. Auf ein Dessert verzichten wir. Dafür sind wir zu satt.

Stadthaus Grill

Karte: Es dominiert klar das Fleisch. Für Vegetarier gibt es auch Pasta.

Preis: Hauptgang zwischen 25 und 60 Franken, Pasta zwischen 15 und 20 Franken. 

Ambiance: stilvoll, schlicht, elegant 

Kundschaft: Fleischliebhaber 

Aufgefallen: Das Fleisch wird über dem offenen Feuer eines Holzkohlegrills gebraten. 

Info: Hauptstrasse 18, 1. Stock 2560 Nidau. Tel. 032 331 52 14, www.stadthausag.ch/grill

Öffnungszeiten: Di–Fr, 11:30–14, Di/Mi, 17:30–23:30, Do/Fr, 17:30–0:30, Samstag 17–0:30. Sonntag und Montag geschlossen.

(Bieler Tagblatt, 13.01.14)