Flüssige Perlen vom Bielersee

Dass die Bielerseewinzer auch hervorragende Schaumweine produzieren, gilt nach wie vor als Geheimtip. Viele Betriebe haben einen eigenen Vin Mousseux, einige davon sind sogar preisgekrönt.

Es scheint selbstverständlich zu sein: An Firmenanlässen, Familienfesten oder immer, wenn es etwas zu feiern gibt, knallen die Korken und es wird angestossen mit Champagner, Prosecco, Sekt oder vielleicht auch mit Cava – Hauptsache mit Schaumwein. Bei der Auswahl des entsprechenden Vin Mousseux greifen viele intuitiv zu den Erzeugnissen aus Frankreich, Italien oder Spanien, ohne sich bewusst zu sein, dass auch in nächster Nähe hervorragende Schaumweine gekeltert werden. Die Weinbauregion Bielersee assoziieren die meisten Menschen nach wie vor mit Chasselas und Pinot Noir – aber mit Vin Mousseux? Dass nicht wenige Winzer auch immer einen solchen Wein im Angebot haben, gilt nach wie vor als Geheimtip. Da die Herstellung vergleichsweise teuer und mit viel Aufwand verbunden ist, verwenden die Winzer in der Regel nur einen kleinen Anteil ihrer Trauben für dieses Nischenprodukt. Kleine Menge, grosser Aufwand – das ist auch der Grund, weshalb man die Verarbeitung des Traubenguts an spezialisierte Betriebe delegiert, wie etwa an die Weinkellerei Paul Gasser im zürcherischen Ellikon oder an eine prominente Adresse wie Mauler in Môtiers, Kanton Neuenburg.

Bei der Herstellung der Bielersee-Schaumweine setzt man nämlich vorwiegend auf die „méthode traditionelle“, sprich die Gärung in der Flasche. Zunächst wird – wie bei jedem anderen Wein – ein stiller, trockener Grundwein produziert. Doch im Anschluss gibt man eine Zucker-Hefe-Mischung dazu, füllt den Wein in Flaschen ab und lässt ihn ruhen. Auf die nun in der Flasche stattfindende zweite Gärung kommt es nämlich an: Es entsteht Kohledioxid, das sich im Wein löst und später für das charakteristische Schäumen sorgt. Die abgestorbenen Hefezellen sinken als Hefesatz zu Boden und geben nach und nach ihr Aroma an den Wein ab. Während dieses mehrmonatigen Prozesses entstehen die für Schaumweine so typischen Geschmacksnoten. Um das Hefedepot aus der Flasche zu kriegen, wird die Flasche bei der „méthode traditionelle“ sehr langsam nach unten gekippt und dabei gerüttelt, damit das Depot in den Flaschenhals rutscht. Dieses wird dann eingefroren und durch ein kurzes Öffnen der Flasche herausgedrückt.

So gesehen wird Bielesee-Schaumwein genau gleich wie der berühmte Champagner hergestellt. Nur enden damit die Gemeinsamkeiten. Das kühle Klima und die Kreideböden der Champagne sind ein völlig anderes Terroir als der Bielersee und es werden nahezu ausschliesslich die Rebsorten Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay verwendet. Obwohl Fabian Teutsch vom Weingut Schlössli in Schafis bei seiner Cuvée Chanoir auf die bewährte Assemblage aus Chardonnay und Pinot Noir zurückgreift, ist das Ergebnis kein Champagner-Klon, sondern ein komplett eigenständiger Schaumwein. Diese Assemblage ergänzt Martin Hubacher vom Johanniterkeller Twann noch um die Sorte Muscat und hat mit dem 1617 Bendicht einen enorm fruchtigen und verführerischen Vin Mousseux vorzuweisen. Chantal und Manuel Bourquin aus Schernelz setzen hingegen komplett auf Pinot Noir: Als Grundwein nutzen sie den eigenen Blanc de Noirs, also einen aus roten Pinot-Noir-Trauben gewonnenen Weisswein und produzieren daraus den fruchtigen, nach Himbeere, Brombeere und Honig schmeckenden Mousseux de Cerniaux; brut trocken, aber dennoch geschmeidig oder demi-sec mit einer schönen leichten Süsse. Auch hier gilt: Gleiches Verfahren wie beim Champagner, doch in diesem Fall mit dem unverwechselbaren Ausdruck eines Bielersee-Pinots. Es geht aber auch etwas ausgefallener. Bei Nick Bösigers „Frauenkopf brut“ geben mit Chasselas und Pinot Gris eher schaumwein-untypische Rebsorten den Ton an. Für Benjamin Stamm, Kellermeister beimTwanner Weingut Frauenkopf  ist das schon fast eine Ehrensache: „Chasselas ist natürlich das absolute Flaggschiff der Region; zusammen mit dem Pinot Gris ergibt das eine wunderbare Assemblage!“ Der Frauenkopf brut ist den auch ein wunderbares Beispiel dafür, dass die Bielerseewinzer bei ihren Schaumweinen – im Gegensatz zu den strengen Regeln in der Champagne – auf eine riesige Vielfalt an aromatischen Traubensorten zurückgreifen können und sich auch nicht scheuen, dies zu tun. Stephan Martin vom Weingut am Stägli in Ligerz verwendet für seinen „Les Perles de Stéphane“ nebst dem klassischen Chardonnay auch die frisch-fruchtige, eher säurearme Riesling x Silvaner-Traube. An der internationalen Weinprämierung 2017 in Zürich wurde dieser Mousseux mit der Silbermedaille ausgezeichnet. Besonders die Blancs de Noirs vom Bielersee  schlagen sich hervorragend auf dem nationalen und internationalen Parkett. So holte der Mousseux Blanc de Noir von Räblus Weinbau in Vingelz eine Goldmedaille beim diesjährigen Grand Prix de Vin Suisse und der Ligerzer Erich Andrey wurde mit seinem Mousseux Pinot Noir Brut sogar an einem der grössten, offiziell anerkannten Weinwettbewerbe der Welt, dem AWC Vienna, mit einer Silbermedaille prämiert.

 

(Geschäftsführer Bern, Herbst 2018)