Zombies sind weitaus mehr als blosse Schreckgestalten des Horrorkinos. Sie eignen sich besonders gut als Spiegelbild und Metapher für soziale und gesellschaftliche Prozesse. Dieses Wochenende regieren die Untoten das Filmpodium Biel.
Man stelle sich das vor: John F. Kennedy erhebt sich aus dem Grab und wandelt untot durch Washington. Ginge es nach Monsignore Dies, hätte man diese Szenen längst auf Zelluloid gebannt. «Ich liebe den bösartigen Anarchismus von Zombiefilmen. Da wird im wahrsten Sinne des Wortes alles durch den Fleischwolf gedreht», sagt der Bieler Künstler. Unter der Bezeichnung «Zombie 13» organisiert Dies zusammen mit Christophe Lambert einen Zyklus im Filmpodium, der es in sich hat: Zwei Abende, vier Zombiefilme. Im Eröffnungsfilm «Fido» sind Zombies längst domestiziert und dienen den Menschen als bessere Haustiere. Doch was tun, wenn die Gier nach Menschenfleisch zurückkehrt?
Hilfe könnte in diesem Falle der «Zombie Survival Guide» bieten. Das ist ein nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber zur erfolgreichen Abwehr von Untoten. Mittels hilfreicher Illustrationen und umfassender Informationen deckt dieser Überlebensführer das ganze Spektrum möglicher Angriffs- und Abwehrtechniken ab. Er gibt Ratschläge zu zombiesicherem Wohnen, erläutert Physiologie und typische Verhaltensmuster des gemeinen Untoten. Das Buch von Max Brooks ist ein Verkaufsschlager.
Zombie-Zeitgeist
Zombies boomen. In den letzten zehn Jahren hat eine wahre Flut an Zombiefilmen die Kinos überschwemmt. Doch auch in einer Unmenge an Büchern und Computerspielen dreht sich alles um die Untoten. Früher war der Zombie vor allem in kleinen Fan-Zirkeln bekannt und war damit Teil einer Spezialkultur. Games wie «Resident Evil», dessen zahlreiche Verfilmungen, Blockbuster wie «28 days later» (2002) oder das Remake von «Dawn of the Dead» (2004) und aktuell die äusserst erfolgreiche US-Serie «The Walking Dead» haben das aber geändert: «Der Zombie ist im Mainstream angelangt und wird für alle möglichen kommunikativen und allegorischen Zwecke eingesetzt», erklärt die Medienwissenschaftlerin Vanessa Kleinschnittger von der Universität Basel. Das zeigt sich auch in der Alltagssprache, wenn aktuell von «Zombie-Banken» oder «Zombie-Ameisen» gesprochen wird.
Der Untote als Metapher
Monsterfiguren lassen sich fast immer als Metaphern lesen. Monster verkörpern stets das Andere, also das, was den «normalen» Menschen eben nicht auszeichnet (Der Zombie hat weder Moral noch Bewusstsein) und eine Bedrohung darstellt. Zombies lassen sich sehr gut als politische Metapher für die westliche Massengesellschaft lesen, weil es den einzelnen Zombie praktisch nicht gibt. Es ist fast immer ein Massenphänomen. Das untote Wesen, das ohne Individualität, Charakter, Intelligenz oder eigenen Willen weitertaumelt, kann so als Projektionsfläche für so manche Massenbewegung stehen. Zombie-Geschichten eignen sich deshalb so gut für Gesellschaftskritik, weil es jeweils um eine neue Art von Welt geht: Sobald es Zombies gibt, ist die Welt, wie wir sie kennen, zu Ende, die Zivilisation versinkt im Chaos. In solchen Szenarien lassen sich sehr gut implizite oder explizite Vorstellungen von Moral, Gesetz oder Menschlichkeit erkennen: Wie weit kann man gehen, um zu überleben, bevor man selber ein Monster ist? Wenn es nur noch darum geht, das eigene Leben zu retten, erweisen sich die ethisch-moralischen Werte der Zivilisation allzuoft als brüchig und instabil.
Bis in die späten 60er-Jahre entsprach die Figur des Zombies noch sehr stark der Zombie-Tradition aus der Voodoo-Kultur. Derzufolge ist ein Zombie ein Mensch, der durch einen anderen (einen Priester/Hexer) durch ein Zaubermittel «vergiftet» wird. Das Opfer wirkt danach wie tot und wird begraben; in Wahrheit lebt es aber noch und kann von da an von seinem Meister beherrscht werden.
1968 der Wendepunkt: In «Die Nacht der lebenden Toten» trennt George A. Romero die Zombie-Figur von diesem kontrollierenden Meister und gibt ihr stattdessen einen inneren Antrieb – die Gier nach Menschenfleisch. Das ewige Weiterfressen ist so vor allem ein ewiges Weitertragen dieses untoten Zustandes. Im Gegensatz zum Voodoo-Zombie wird dem einzelnen Menschen seine Individualität genommen, um neu einer grossen, gesichtslosen Masse anzugehören. Ende der 60er‑, Anfang der 70er-Jahre waren die Medien voller Bilder, an die solche Zombiefilme anknüpfen konnten: Demonstrationen, Militär im Gefecht gegen Zivilisten, Todesbilder aus Vietnam. «Dass man Zombiefilme also auch politisch auflud, ist somit kaum ein Wunder», sagt Petra Schrackmann vom Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich.
Terrorismus und Viren
So ist es denn auch kein Zufall, dass die neuste Welle an Zombiefilmen fast ausschliesslich nach 9/11 losgetreten wurde. Die allgemein herrschende Angst vor Terrorismus (jeder Nachbar könnte ein Feind sein) zeigt sich in der Vorstellung eines plötzlichen Zombie-Ausbruchs. Die neuen Zombie-Filme der letzten Jahre thematisieren auch sehr oft Ängste vor globalen Pandemien (beispielsweise «Eaters»). Deshalb sind die Zombies auch häufig nicht mehr (un)tot, sondern Opfer eines meist künstlich hergestellten Virus, was wiederum eine Kritik an der Wissenschaft ist. Auch wenn die Themen der Zombiefilme sich ständig verändern – die Angst bleibt.
Bieler Tagblatt, 12.12.2013