Restaurantkritik: Saucen mit Seele

In der Gastro-Kolumne werden verschiedene Restaurants getestet. Heute: Das Restaurant Bären in Treiten.

Zugegeben, wir hätten reservieren sollen. Es ist ein gewöhnlicher Mittwochabend, dennoch ist der «Bären» in Treiten sehr gut besucht. Das urchig-rustikale Säli ist bis auf den letzten Platz besetzt, etwa 20 Gäste lassen sich bei gedämpftem Licht und Kerzenschein bewirten. Die getäfelten Wände strahlen Wärme und Gemütlichkeit aus. Zu unserem Glück können wir in der Gaststube Platz nehmen. Hier dominieren klare Formen und schlichte Eleganz: Tische und Stühle aus hellem Holz, eine riesige, schwarz eingefasste Fensterfront öffnet den Raum. 2012 wurde der «Bären» renoviert.

Die freundliche Bedienung reicht uns die Speisekarte. Bis zur ersten Bestellung vergeht leider fast eine Viertelstunde, was aber einen Grund hat – die Servicekraft muss sämtliche Tische im Lokal allein bedienen. Für den personellen Engpass entschuldigt sie sich jedoch umgehend, sehr professionell. Während wir mit der Auswahl der Speisen beschäftigt sind, genehmigen wir uns einen Gutedel 2012, Ligerzer AOC Lac de Bienne (4.50 Franken das Glas). Blumig, würzig, spritzig, ein Chasselas nach unserem Geschmack. Auf der Karte weckt zunächst das Rindstartar «à la Chef René» mit Cognac verfeinert und frisch geröstetem Buttertoast (16.50 Franken) unser Interesse. Nach dem Blick in die Wildkarte fällt die Wahl auf die Wildterrine mit lauwarmen Birnen (15.50), die Begleitung entscheidet sich für den Seeländer Nüsslersalat mit Speck und Ei (11.50 Franken). Beim Hauptgang gibt es kein langes Zögern. Der Lammrücken mit Kräuterkruste (34.50 Franken) oder das gebratene Rehschnitzel mit frischen Eierschwämmen (39.50 Franken) klingt zwar verlockend, doch wir bestellen das Wildschwein-Entrecôte mit Ginrahmsauce, serviert auf Gemüse und Spätzli (39.50 Franken) und das Rindsentrecôte (200g für 32.50 Franken) mit Morchel-Whiskyrahmsauce. Dazu ein Glas Primitivo di Manduria, DOC (5.90 Franken), kräftig und aromatisch – der perfekte Begleiter.

Die gepflegte Eleganz der Inneneinrichtung findet in der Präsentation der Speisen ihre Fortsetzung. Die Wildterrine ist sowohl für das Auge als auch für den Gaumen ein Genuss. Kräftig und fleischig im Geschmack, in Kombination mit den in einem Sud aus Sternanis, Zimt und Nelken pochierten Birnen ein wahres Vergnügen. Tadellos ist auch der Seeländer Nüsslersalat. Das hohe Niveau kann auch bei den Hauptgängen gehalten werden. Wiederum wunderschön angerichtet, ist das Fleisch perfekt auf den Punkt gebraten, die separat dazu gereichten Spätzli sind herrlich fluffig und in Butter geschwenkt. Sollte einer alten gastronomischen Weisheit zufolge die Seele eines Restaurants tatsächlich in seinen Saucen liegen, müsste man sich um das Seelenheil des «Bären» keine Sorgen machen. Die Ginrahmsauce und die Morchel-Whiskyrahmsauce sind schlicht eine Wucht. «Mehr davon!», möchte man fast schreien, wäre da nicht noch das Dessert. Baumnussparfait mit einem kleinen Marroniküchlein und Rotweinzwetschgen (13.50 Franken) und Weisses Kaffeebohnen-Mousse mit Früchten und lauwarmen Schoggiküchlein (11.50 Franken) bilden den Abschluss. Müssig zu erwähnen, dass die Präsentation perfekt ist. Einfach köstlich, wie sich die milde Süsse und das nussige Aroma des Parfaits langsam mit der kräftigen Würze der warmen Früchte vermischt. Die samtige Cremigkeit der weissen Schokolade harmoniert bestens mit dem Mokka-Geschmack. Einziger Wermutstropfen: Der Mousse fehlt es entschieden an Luftigkeit, eine längere Kühlzeit hatte ihr auch nicht schaden können. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Karte: gutbürgerlich, regional

Preis: Hauptgang zwischen 25 und 45 Franken

Ambiance: Von schlicht und elegant bis urchig-gemütlich

Kundschaft: Querbeet

Aufgefallen: Auf die Präsentation der Speisen wird sehr grossen Wert gelegt

Info: Hauptstrasse 15, 3226 Treiten. Tel. 032 313 41 31, Öffnungszeiten: Mo-Di: 8.30 Uhr bis 23 Uhr, Fr: 16 Uhr bis 23 Uhr, Sa: 10 Uhr bis 23 Uhr, So: 10 Uhr bis 22 Uhr, Do: Ruhetag.

(Bieler Tagblatt, 24.11.15)